In unserem Rechtssystem haben wir vielfach mit Fristen zu tun, deren Ablauf und manchmal auch deren Beginn berechnet werden müssen. Ausschlussfristen können Rechte vernichten, Verjährungsfristen die Durchsetzbarkeit eines Rechts verhindern, Fristen können Verzug begründen oder Rechte entstehen lassen (Ersitzungsfrist). Die Fristenregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind vor über 100 Jahren von Mathematikern ausgeknobelt und von Juristen geschrieben worden. Sie gelten grundsätzlich auch in allen anderen Rechtsgebieten.
Meistens kommt es auf den fristgerechten Zugang einer Erklärung an und nicht auf deren rechtzeitiges Absenden mit der Post.
Mein Tipp: Reizen Sie Fristen niemals aus. Wenn Sie z.B. wissen, dass sich Ihre Telefonflatrate nicht nochmal verlängern soll, sollten Sie so rechtzeitig wie möglich aktiv werden. Kalkulieren Sie Verzögerungen des Postweges ebenso ein wie einen Verlust der Erklärung auf dem Postweg. Und denken Sie auch daran, dass der Empfänger einfach leugnen könnte, von Ihnen eine Erklärung erhalten zu haben. Wenn Sie nicht sicher sind, ob die Sonntagsregel greift oder welche Art Frist vorliegt sollten Sie das Fristende möglichst nicht ausreizen. Es ist in allen Rechtsangelegenheiten immer empfehlenswert, frühzeitig zu agieren und viel zeitlichen Puffer zu haben.
Zunächst einige Begrifflichkeiten: Es ist zu unterscheiden zwischen vorwärts laufenden Fristen und rückwärts laufenden Fristen. Während Sie bei vorwärts laufenden Fristen (z.B. Anfechtungsfristen, Klagefristen) innerhalb der Frist tätig werden müssen, um rechtzeitig zu handeln, müssen Sie bei rückwärts laufenden Fristen außerhalb der Frist, und zwar bereits vor Beginn der Frist agiert haben. Ein Beispiel für eine rückwärts laufende Frist ist die Kündigungsfrist für einen Telekommunikationsvertrag, der sich gemäß der vereinbarten AGB nach Vertragsablauf automatisch um ein weiteres Jahr verlängert. Die allermeisten Fristen in unserem Rechtssystem laufen vorwärts, weswegen der Gesetzgeber vor über 100 Jahren, als er das BGB geschaffen hat, die Regelung von rückwärts laufenden Fristen einfach vergessen hat.
Innerhalb von vorwärts und rückwärts laufenden Fristen sind Ereignisfristen und Ablauffristen zu unterscheiden. Bei Ablauffristen wird der fristauslösende Tag mitgezählt, d.h., er ist Bestandteil der Frist, d.h., er liegt innerhalb der Frist, d.h. er ist der erste Tag der Frist. Bei Ereignisfristen wird der fristauslösende Tag nicht mitgezählt. Die vorwärts laufende Frist beginnt dann erst am folgenden Tag. Zum Fristbeginn der vorwärts laufenden Ereignis- oder Ablauffrist siehe unten 187 BGB. Zum Fristende der vorwärts laufenden Ereignis- oder Ablauffrist siehe unten 188 BGB.
Bei der Berechnung der gesetzlich geregelten vorwärts laufenden Frist ist zunächst der Fristbeginn gemäß 187 BGB zu bestimmen und dafür natürlich zuerst zu klären, ob eine Ereignis- oder Ablauffrist vorliegt. Die meisten Fristen, die uns im Zivilrecht begegnen sind Ereignisfristen iSd. 187 I BGB. Nur selten gibt es Ablauffristen nach 187 II BGB. Nachdem dies geklärt und der Fristbeginn bestimmt worden ist, ist gemäß 188 BGB das Fristende zu ermitteln.
187 BGB - Fristbeginn:
(1) Ist für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt maßgebend, so wird bei der Berechnung der Frist der Tag nicht mitgerechnet, in welchen das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt.
(2) Ist der Beginn eines Tages der für den Anfang einer Frist maßgebende Zeitpunkt, so wird dieser Tag bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Gleiche gilt von dem Tage der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters.
So ein Ereignis kann z.B. die Zustellung eines Urteils sein, das planmäßige Ende einer Pauschalreise oder der Zeitpunkt, an dem ein Anspruch entsteht. Diese Fristen beginnen mit Ablauf des Tages (also um 24 Uhr abends = 0 Uhr morgens des folgenden Tages), an dem das Ereignis stattfand.
Ablauffristen nach 187 II BGB liegen vor, wenn nach dem Willen des Gesetzgebers der Beginn eines Tages für den Fristbeginn maßgeblich sein soll. Ablauffristen beginnen daher bereits 24 Stunden früher als Ereignisfristen, nämlich um 0 Uhr des fristauslösenden Tages. Ablauffristen enden damit auch einen Tag früher als Ereignisfristen.
Ausdrücklich geregelt ist die juristisch korrekte Berechnung von Geburtstagen in 187 II 1 BGB: Egal, wann Sie zwischen 0 Uhr und 24 Uhr geboren sind: Die Berechnung Ihres Lebensalters beginnt stets um 0 Uhr des Tages Ihrer Geburt. Der fristauslösende Tag zählt also mit. Daher handelt es sich um eine Ablauffrist. Beispiel: Die Volljährigkeit, eines am 5. Mai 2000 Geborenen tritt ein mit dem 18. Geburtstag am 5. Mai 2018 um 0 Uhr morgens. Der erste Tag der Frist „Volljährigkeit“ ist also der Tag der Geburt, im Beispiel der 5. Mai 2000.
Das Fristende wird grundsätzlich nach 188, 189, 193 BGB berechnet.
188 BGB - Fristende:
(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.
(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.
(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.
Beispiel: Die Verjährung eines Gewährleistungsanspruchs für Reparaturen an einem Haus beträgt fünf Jahre. Am 15. Dezember 2010 findet die Abnahme dieses Werkes statt. Das ist das fristauslösende Ereignis. Die Fünfjahresfrist beginnt am 16. Dezember 2010 um 0 Uhr zu laufen. Sie endet fünf Jahre später an dem Tag, der in seiner (kalendarischen) Nennung dem Ereignistag entspricht, also am 15. Dezember 2015.
189 BGB - Berechnung einzelner Fristen:
(1) Unter einem halben Jahr wird eine Frist von sechs Monaten, unter einem Vierteljahr eine Frist von drei Monaten, unter einem halben Monat eine Frist von 15 Tagen verstanden.
(2) Ist eine Frist auf einen oder mehrere ganze Monate und einen halben Monat gestellt, so sind die 15 Tage zuletzt zu zählen.
190 BGB - Fristverlängerung:
Im Falle der Verlängerung einer Frist wird die neue Frist von dem Ablauf der vorigen Frist an berechnet.
191 BGB - Berechnung von Zeiträumen:
Ist ein Zeitraum nach Monaten oder nach Jahren in dem Sinne bestimmt, dass er nicht zusammenhängend zu verlaufen braucht, so wird der Monat zu 30, das Jahr zu 365 Tagen gerechnet.
192 BGB - Anfang, Mitte und Ende des Monats:
Unter Anfang des Monats wird der erste, unter Mitte des Monats der 15., unter Ende des Monats der letzte Tag des Monats verstanden.
Endet die Frist an einem Sonnabend, Sonntag oder an einem gesetzlich anerkannten Feiertag, so ist 193 BGB zu beachten: Das Fristende verschiebt sich auf den nächsten Werktag, 24 Uhr. Der Feiertag muss freilich am Erklärungs- oder Leistungsort staatlich anerkannt sein. Einige Feiertage sind bundeseinheitlich; andere sind auf Landesebene geregelt und daher von Bundesland zu Bundesland verschieden.
193 BGB - Sonn- und Feiertag; Sonnabend:
Ist an einem bestimmten Tage oder innerhalb einer Frist eine Willenserklärung abzugeben oder eine Leistung zu bewirken und fällt der bestimmte Tag oder der letzte Tag der Frist auf einen Sonntag, einen am Erklärungs- oder Leistungsort staatlich anerkannten allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so tritt an die Stelle eines solchen Tages der nächste Werktag.
Auf Kündigungsfristen findet 193 BGB in aller Regel keine Anwendung, so die Rechtsprechung. Ebenso bei Ladungsfristen für Vereinsversammlungen. Wohl keine Kündigung im Rechtssinne ist ein Widerspruch bezüglich der Verlängerung eines Vertrages, wenn sich ein Vertrag vereinbarungsgemäß automatisch verlängern soll, sofern ihm nicht rechtzeitig widersprochen worden ist. 193 BGB ist dann wohl anwendbar. 193 BGB wird nicht angewendet, wenn die Parteien etwas anderes vereinbart haben oder wenn die Leistung für ein Wochenende oder für einen Feiertag bestimmt ist. 193 BGB ist nicht anwendbar, wenn am letzten Tag keine Handlung vorzunehmen ist sondern lediglich eine Rechtswirkung eintreten soll, Beispiel: Eintritt einer Bedingung oder Heilung.
In vielen Fällen steht es den Parteien eines Vertrages frei, kürzere oder längere Fristen zu vereinbaren. Geht ein Fristlauf auf einen Vertrag zurück, so muss der Vertrag und ggf. dazugehörende Allgemeine Geschäftsbedingungen / Allgemeine Versicherungsbedingungen nach Fristenregelungen durchsucht werden. Verkürzungen gesetzlicher Fristen können eventuell rechtswidrig und damit unbeachtlich sein. Das kommt oft vor bei Fristverkürzungen zu Lasten von Mietern, Arbeitnehmern oder Verbrauchern.
Neben den üblichen in 187 ff BGB geregelten Fristen, innerhalb derer Sie tätig werden müssen gibt es auch noch Rückwärtsfristen, wo Sie die erforderliche Maßnahme außerhalb der Frist vorgenommen haben müssen. Alle mir bekannten rückwärts laufenden Fristen sind allesamt Ablauffristen. Allerdings ist denkbar, dass es auch rückwärts laufende Ereignisfristen geben könnte. Bei Ihnen müsste man einen Tag eher agiert haben als bei rückwärts laufenden Ablauffristen.
Inwiefern die 187 ff BGB (Sonntagsregel etc.) auch auf rückwärts laufende Fristen anwendbar sind, hängt vom Einzelfall ab.
Falls Ihre rechtzeitige Handlung in der Abgabe einer rechtlich verbindlichen Erklärung, einer sog. Willenserklärung, liegt, so muss diese Erklärung im Regelfall beim Empfänger eingetroffen (zugegangen) sein, bevor die rückwärts laufende Frist beginnt. Ein Zugang innerhalb der rückwärts laufenden Frist oder gar nach deren Ablauf wäre dann verspätet. Für vorwärts und rückwärts laufende Fristen gilt: In ganz seltenen Fällen kommt es für die Einhaltung der Frist übrigens nicht auf den Zeitpunkt des Zugangs einer Erklärung beim Empfänger an, sondern auf den Zeitpunkt der Abgabe, z.B. auf das Datum des Poststempels.
Berechnungsbeispiel für eine rückwärts laufende Frist: Bei der Berechnung der rückwärts laufenden Frist müssen Sie zunächst klären ob eine Ereignis- oder Ablauffrist vorliegt. IdR. werden Ihnen Ablauffristen begegnen, d.h. der fristauslösende Tag zählt mit. Beispiel-Fall: Ihr Flatrate-Vertrag endet am 15. Dezember 2010 und wird automatisch um ein Jahr verlängert, wenn Sie nicht 3 Monate vor Vertragsablauf kündigen. Wenn in den AGB nichts abweichendes steht, ist der genaue Zeitpunkt das Tagesende, also 15. Dezember 2010 um 24 Uhr. Dies ist wichtig, denn somit handelt es sich um eine rückwärtslaufende Ablauffrist: Der fristauslösende Tag, hier der 15. Dezember, zählt komplett mit. Um nun drei Monate zurückzurechnen, muss lediglich abgezählt werden: 3 Monate rückwärts, beginnend ab dem 15. Dezember 2010 um 24 Uhr. Da liegt der 15. September um 24 Uhr. Da es eine rückwärtslaufende Frist ist, muss die Kündigung bis zu diesem Zeitpunkt grundsätzlich beim Empfänger zugegangen sein. Nur ausnahmsweise könnte sich z.B. aus besonders kundenfreundlichen AGB ergeben, dass die rechtzeitige Aufgabe der Kündigung bei der Post für die Fristwahrung ausreichend ist, siehe oben. Abwandlung dieses Beispielfalles: Der Vertrag endet am 31 Dezember. Dann rechnen Sie drei Monate zurück und gelangen gemäß 188 III BGB (analog) zum 30. September um 24 Uhr. Doch Vorsicht: Es ist denkbar, dass Gerichte die analoge Anwendbarkeit des 188 III BGB nicht anerkennen. Ein ähnliches Problem ergibt sich, wenn die rückwärts laufende Frist (hier im Beispiel der 15. bzw. 30. September) auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällt. Dem können Sie vorbeugen, indem Sie die Frist nicht ausreizen und lieber etwas eher handeln.