Wenn Parteien vors Zivilgericht ziehen bedeutet dies regelmäßig, dass die Parteien uneinig sind über die Rechtslage hinsichtlich eines Anspruchs: Wer darf was verlangen von der anderen Partei? Die Positionen beider Streithähne werden dem Gericht vorgetragen und das Gericht muss daraufhin eine Entscheidung treffen. Die Richter versuchen dabei, Recht zu sprechen, was bedeutet: Sie sind um eine Entscheidung bemüht, die dem vermuteten Willen des Gesetzgebers, auf den unsere Rechtsordnung ja zurück geht, möglichst nahe kommt. Eine Hundert prozentig zutreffende Entscheidung ist beabsichtigt und oft möglich, aber nicht immer machbar. Die Beweisfähigkeit eines Sachverhalts spielt dabei oft eine große Rolle.
Es gibt zwei grundsätzliche Arten von Streitfragen, um die vor Gericht gestritten werden kann: Tatsachenbehauptungen und Rechtsfragen. Rechtsfragen treten auf, wenn ein bestimmter (meistens unstreitiger) Sachverhalt vorliegt, der aufgrund von Regelungslücken oder Unklarheiten in den Gesetzen nicht so recht einzuordnen ist. Geklärt ist eine Rechtsfrage, wenn sie von höchstrichterlicher Instanz entschieden worden ist. Solange eine höchstrichterliche Klärung noch nicht vorliegt, müssen die Parteien vor ihrem Gericht argumentieren und es ist offen, für welche Sichtweise sich das Gericht entscheiden wird. Die Argumente ergeben sich zum Teil aus gesundem Menschenverstand, zum Teil aber auch aus Fachliteratur wie Aufsätzen, Lehrbüchern oder Kommentaren. Mitunter ist die Rechtsfrage schon vor irgendeinem anderen Gericht aufgetaucht und dort entschieden worden; auf so etwas kann man sich für die eigene Argumentation stützen. Wurde eine Rechtsfrage höchstrichterlich entschieden, so ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass untergeordnete Gerichte über dieselbe Rechtsfrage ebenso entscheiden werden.
Tragen die Parteien unterschiedliche Versionen des Sachverhalts vor, so liegen insoweit widerstreitende Tatsachenbehauptungen vor. Das Gericht wird über die umstrittenen rechtlich relevanten Tatschilderungen eine Beweisaufnahme durchführen und anschließend die so erhobenen Beweise würdigen.
Unser Rechtssystem, das im Wesentlichen aus den Gesetzen und der höchstrichterlichen Rechtsprechung besteht, stellt Regelungen auf, die das Gericht berücksichtigen muss, wenn über die gegensätzlichen Behauptungen der Parteien zu entscheiden ist. Das Rechtssystem regelt, welche Partei ihre Behauptung beweisen muss und was geschieht, wenn sie das nicht kann. Der Ausgang eines Zivilprozesses kann nur dann einigermaßen zutreffend prognostiziert werden, wenn alle Beweismittel vorliegen und richtig beurteilt werden.
Beispiel für einen Zivilprozess: Ein Taschendieb hat Ihnen eine Uhr gestohlen, wird samt Beute geschnappt, gibt sich geständig gegenüber den Polizeibeamten und zeigt sich reuig. Dann ist der Fall klar: Sie haben einen Rückgabeanspruch gegen den Dieb. Und weil der Dieb in diesem Beispiel kooperiert und Sie Ihre Uhr zurückbekommen, brauchen Sie ihn nicht einmal zu verklagen. Anders sieht es aber aus, wenn der Dieb Ihnen zusätzlich noch einen weiteren Gegenstand gestohlen hat und diesen Diebstahl abstreitet. Theoretisch haben Sie dann auch bezüglich des zusätzlich gestohlenen Gegenstands einen Rückgabeanspruch. Aber wie setzen Sie ihn durch? Wenn Sie den Dieb schließlich auf Herausgabe verklagen, wird er abstreiten. Das Zivilgericht, das über Ihren Herausgabeanspruch zu entscheiden hat, wird Ihr Vorbringen in Ihrer Klageschrift ebenso zur Kenntnis nehmen wie das Vorbringen des Diebes in dessen Klageerwiderung.
In einem Zivilprozess sind solche Aspekte nicht beweisbedürftig, die entweder zwischen den Parteien unstreitig sind, die von einer Partei zugestanden sind i.S.d. 288 der Zivilprozessordnung (ZPO) oder die dem Gericht offenkundig sind i.S.d. 291 ZPO.
Die Verspätungsproblematik spielt im Zivilprozess eine große Rolle. Das Gericht könnte das Vorbringen einer Partei zurückweisen, wenn das Vorbringen i.S.d. 296 I ZPO unentschuldigt verspätet kommt bzw. zu einer Verlängerung des Rechtsstreits führt. Es empfiehlt sich daher nicht, relevante Aspekte des Sachverhalts zurück zu halten, um sie später, ggf. erst in einer höheren Instanz einzubringen. Grundsätzlich ist alles Relevante so früh wie möglich vorzubringen. Die Klageschrift sollte also alle Sachverhaltsschilderungen und Beweisangebote aufbieten, die für eine erfolgreiche Klage nötig sind. Entsprechend enthält die Klageerwiderung des Gegners ebenfalls alle abweichenden Behauptungen und Beweisangebote, auf die der Kläger wiederum alles erwidert, was nötig ist, um die Position des Prozessgegners zu schwächen. So kann es mehrmals hin und her gehen. Wichtig ist, dass alle Behauptungen und Beweisangebote so früh wie möglich in den Prozess eingebracht werden, um nicht an der Verspätung zu scheitern. Wird einer Partei ein ihr günstiger Aspekt erst im Laufe des Prozesses bekannt, so kann sie ihn regelmäßig immer noch unverzüglich in den Prozess einführen, ohne dass es zur Verspätung kommt. Bringt die Partei einen Entschuldigungsgrund für die Verzögerung ihres Vorbringens vor, so hat sie den Entschuldigungsgrund auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen.
Im Zivilprozess gewinnt grundsätzlich die Partei, die ihrer Darlegungs- und Beweispflicht besser nachkommt. Für den Fall, dass die beweisbelastete Partei den Wahrheitsgehalt ihrer Behauptung nicht mit der nötigen Überzeugungskraft beweisen kann, verliert sie den betreffenden Prozessteil.
a. Grundsatz. Klagen Sie im Zivilprozess gegen jemanden, so müssen Sie grundsätzlich alle Sachverhaltsaspekte vortragen und beweisen können, die Ihnen günstig sind. Ihr Prozessgegner muss grundsätzlich diejenigen Behauptungen aufstellen und beweisen können, die für ihn günstig sind. Von diesem Grundsatz gibt es allerdings Ausnahmen, siehe unten in b-d. Bei manchen Tatbestandsmerkmalen in bestimmten, wenigen Rechtsnormen ist es schwierig festzustellen, ob sie rechtsbegründend sind und damit dem Anspruchsteller nützen oder ob sie ein Gegenrecht darstellen und dem Anspruchgegner nützen. Für die allermeisten Fälle ist dies aber höchstrichterlich geklärt; ein Blick in einen aktuellen Kommentar gibt Aufschluss. Beispiel: Das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtlichen Grund“ in 812 BGB ist ein rechtsbegründendes, sogenanntes negatives Tatbestandsmerkmal. Der Anspruchsteller muss beweisen, dass der Anspruchgegner den Streitgegenstand ohne rechtlichen Grund, also rechtswidrig erlangt hat.
b. Ausnahme: Regel-Ausnahme-Verhältnis. Manche Rechtsnormen regeln Aspekte, die von der Justiz als „Ausnahme“ vom üblichen Vorgehen betrachtet werden. Dann muss diejenige Partei das Vorliegen der Aufnahme beweisen, die sich auf das Vorliegen der Ausnahme beruft. Beispiel: Die Stellvertretung ist so eine Ausnahme. Behauptet eine Partei, der Vertrag sei von einem Stellvertreter geschlossen worden, so muss sie das Vorliegen einer Stellvertretung beweisen. Stellvertretung wird nämlich als Ausnahme betrachtet zu der Grundregel, dass ein Vertrag durch zwei Parteien direkt geschlossen wird. Das gleiche gilt für eine Partei, die behauptet, ein vorliegender Vertrag sei zwischenzeitlich geändert worden. Legen die Parteien eine mehrdeutige Urkunde verschieden aus, so trägt jede Partei die Beweislast für ihre Auslegung.
c. Ausnahme: Gerechter Interessenausgleich, Sphärengedanke. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat für bestimmte Rechtsbereiche Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr entwickelt. Die Beweislast trifft in diesen besonderen Fällen diejenige Partei, in deren Einflusssphäre die zu beweisende Tatsache liegt. Ist in einem solchen Fall klar, dass die Schadensursache allein im Verantwortungsbereich des Schuldners liegt, so muss nicht der Gläubiger des Schadensersatzanspruchs beweisen, dass der Schuldner den Schaden rechtswidrig und schuldhaft verursacht hat. Vielmehr muss der Schuldner sich entlasten, also das Gegenteil darlegen und beweisen.
d. Ausnahme: Treu und Glauben. Mitunter kann es nach den Grundsätzen von Treu und Glauben angezeigt sein, Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr anzuwenden. Inwieweit das Gericht geneigt ist, Korrekturen an der Darlegungs- und Beweislast nach Treu und Glauben vorzunehmen, ist eine Frage des Einzelfalls. Es handelt sich dabei um Sachverhalte, in denen die beweisbelastete Partei außerhalb des zu beweisenden Geschehensablaufs steht und den relevanten Sachverhalt nicht ermitteln kann, während die gegnerische Partei alle Informationen hat oder sich leicht verschaffen kann.
Dies könnte bei negativen Tatsachen zum Tragen kommen, z.B. bei der Frage, ob die Gegenpartei eine Sache „ohne rechtlichen Grund“, 812 BGB, erworben hat: Für die Gegenpartei ist es leicht zu beweisen, ob ein Rechtsgrund vorliegt, z.B. ein Vertrag. Aber wie soll die beweisbelastete Partei beweisen, dass ein Vertrag nicht besteht? Man kann in manchen Fällen gar nicht die Nicht-Existenz von irgendetwas beweisen. So etwas geht oft nicht. Die Lösung der Rechtsprechung bei negativen Tatbestandsmerkmalen: Die Gegenpartei muss den Rechtsgrund vortragen, aus dem sich ihr Recht an der Sache ergibt; sie muss im Beispiel also den Kaufvertrag vorlegen. Die beweisbelastete Partei muss dann darlegen und beweisen, warum dieser Vertrag kein Rechtsgrund ist, z.B. weil er eine ganz andere Sache zum Gegenstand hat, weil die Sache von einem Dieb verkauft worden ist oder weil der Vertrag erfolgreich angefochten worden ist oder so ähnlich.
Beim Zivilprozess setzt grundsätzlich jede Beweisführung einen Beweisantrag einer Partei voraus. Wenn das Gericht dem Antrag stattgibt, findet die Beweiserhebung vor Gericht statt, und zwar beginnend mit der Beweisaufnahme; es folgt die Verhandlung über die Beweisaufnahme und schließlich die Beweiswürdigung durch das Gericht. Für die Beweiswürdigung gelten vor allen Gerichten etwa dieselben Kriterien.
Möchte eine Partei einen Verfahrensfehler rügen, der die Beweisaufnahme betrifft, z.B. ein nicht beachtetes Beweisverwertungsverbot, so muss die Partei dies direkt nach der Beweisaufnahme machen, und zwar dann, wenn die mündliche Verhandlung über die Beweisaufnahme beginnt.
Als Beweismittel kommen der Strengbeweis, der Freibeweis und die Glaubhaftmachung in Betracht.
a. Die Beweiserhebung vor einem Gericht findet generell mit den Mitteln des Strengbeweises statt. Diese sind für Zivilprozesse in der Zivilprozessordnung, für Strafprozesse in der Strafprozessordnung (StPO) abschließend aufgezählt. Bedeutsam sind Sachverständigen- und Zeugenbeweis, öffentliche oder private Urkunden, In-Augenschein-Nahme und die Parteivernehmung. Details dazu: siehe unten J.
b. Bezüglich der Prozessvoraussetzungen, generell bei Einverständnis der Parteien oder bei besonderen Verfahrensarten oder -Teilen kann ein Beweis auch mit den Mitteln des Freibeweises erhoben werden. Freibeweis bedeutet, dass das Gericht seine Überzeugung mit jedem Mittel erlangen kann, das ihm geeignet erscheint. Beispiel: Zwischen den Parteien eines Zivilprozesses ist das Vorliegen einer Prozessvoraussetzung streitig. Das Gericht darf sich jedes ihm geeignet erscheinenden Beweismittels bedienen. Es tätigt daher einen Telefonanruf, z.B. beim Arbeitgeber des Klägers.
c. Insbesondere in Eilverfahren wie z.B. bei einstweiliger Verfügung, einstweiliger Anordnung oder Arrest reicht auch die sog. „Glaubhaftmachung “ aus. Die antragstellende Partei gibt dabei eine eidesstattliche Versicherung über die Richtigkeit ihrer Behauptungen ab. Stellen sich diese Behauptungen im Nachhinein als falsch heraus, so muss der Antragsteller der anderen Partei unter Umständen Schadensersatz leisten.
Tatgerichte sind diejenigen Instanzen, die zur Ermittlung des Sachverhalts befugt sind. Umfasst der Rechtszug drei Instanzen, so sind das die ersten beiden. Die letzte Instanz ist die Revisionsinstanz. Dort werden grundsätzlich keine Tatfragen mehr behandelt, sondern nur Rechtsanwendungsfehler der vorigen Instanzen.
Die freie Beweiswürdigung durch das Gericht ist ein wichtiger Grundsatz in unserem Rechtsstaatssystem. Dieser Grundsatz wird ergänzt durch die Regeln über den Beweis des ersten Anscheins und die Möglichkeit der Schadensschätzung nach 287 I 1 ZPO. Die freie Beweiswürdigung wird punktuell beschränkt durch gesetzliche Beweisregeln.
a. Freie Beweiswürdigung, 286 I ZPO. Der Tatrichter hat ohne Bindung an Beweisregeln und nur seinem Gewissen unterworfen die Entscheidung zu treffen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt als wahr überzeugen kann. Jedoch setzt das Gesetz eine von allen Zweifeln freie Überzeugung nicht voraus. Das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen und keine unumstößliche Gewissheit bei der Prüfung verlangen, ob eine Behauptung wahr und erwiesen ist. Vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.
In die Beweiswürdigung fließt der Gang der Verhandlung ein einschließlich des Verhaltens von Parteien und Zeugen; das Gericht legt Zeugenaussagen aus und berücksichtigt die Fehlerquellen, die den einzelnen Beweismitteln zu eigen sind. Wird der Beweis mittels Sachverständigengutachten erhoben, so hat das Gericht die Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit des Gutachtens ebenso zu prüfen wie die Sachkunde des Sachverständigen. Beim Zeugenbeweis beurteilt das Gericht sowohl die Glaubwürdigkeit der Person des Zeugen wie auch die Glaubhaftigkeit seiner Aussage. Beispiel zur Glaubwürdigkeit: Der Zeuge verkehrt in kriminellen Kreisen, ist mehrmals straffällig geworden oder hat in der Vergangenheit nachweislich schon einmal falsch ausgesagt. Solche Sachen mindern die Glaubwürdigkeit eines Zeugen. Es ist aber nicht pauschal festzulegen, in welchem Maß seine Glaubwürdigkeit fällt, das ist stets eine Frage des Einzelfalls. Beispiel zur Glaubhaftigkeit: Der Zeuge beschreibt bei der Polizei einen vermeintlichen Täter, identifiziert ihn dort später und sagt in der Verhandlung aus: „der war es“. Die Beweisaufnahme fördert aber zu Tage, dass die Sichtverhältnisse vor Ort so bescheiden gewesen sind, dass der Täter unmöglich zu erkennen gewesen ist.
Wird der Beweis nicht direkt geführt, sondern mittels Hilfstatsachen, sog. Indizien, so kann das Gericht Lücken in der Indizienkette mit Hilfe der allgemeinen Lebenserfahrung überbrücken. Beispiel für direkte Beweisführung: Ein Zeuge hat den Bankräuber während der Tatausführung beobachtet und erkannt. Beispiel für eine Indizienkette: Ein Mann wurde überfahren. Ein Auto mit passenden Blutspuren an der Karosserie wird später verlassen aufgefunden. In dem Wagen befinden sich Fingerabdrücke und weitere Spuren allein vom Eigentümer des Wagens und von einem gerichtsbekannten Kriminellen, der von einem Zeugen zeitnah in der Nähe des abgestellten Autos gesehen worden ist.
Innere Tatsachen, also Überzeugungen, Vorsatz und Kenntnisse einer Person, werden bewiesen, indem Schlüsse gezogen werden aus beweisbaren äußeren Umständen.
b. Anscheinsbeweis (prima facie). Der Beweis des ersten Anscheins bezieht sich immer auf die Beweisführung bezüglich eines Ursachenzusammenhangs. Regelmäßig muss in einem Schadensersatzprozess neben der Tathandlung des Prozessgegners und dem Rechtsguts-Verletzungserfolg bewiesen werden, dass die Rechtsgutsverletzung auf der behaupteten Tathandlung beruht.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins nur bei typischen Geschehensabläufen anwendbar, das heißt in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist. Dabei bedeutet Typizität nicht, dass die Ursächlichkeit einer bestimmten Tatsache für einen bestimmten Erfolg bei allen Sachverhalten dieser Fallgruppe notwendig immer vorhanden ist; sie muss aber so häufig gegeben sein, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist. Die beweisbelastete Partei braucht dann nur noch den Eintritt des Verletzungserfolgs zu beweisen und dass die behauptete Ursache vorliegt.
Die Gegenpartei kann daraufhin versuchen, den Anscheinsbeweis für den Ursachenzusammenhang zu erschüttern. Sie muss nicht unbedingt beweisen, dass hier im Fall kein typischer Geschehensablauf vorliegt. Es reicht aus, wenn sie beweist, dass eine andere Ursache nicht fernliegend ist. Dann besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass diese andere Ursache für die eingetretene Verletzung ursächlich ist. Damit fällt der Anscheinsbeweis wieder weg. Der ehemals beweisbelasteten Partei steht es nunmehr frei, den vollen Beweis dafür anzutreten, dass in diesem Fall doch die eingangs behauptete Ursache ursächlich gewesen ist.
Beispiel: Das Abbrechen eines Zahns beim Verzehr eines aus verschiedenen Fleischstücken und Hackfleischröllchen bestehenden Gerichts ist nicht nach der Lebenserfahrung typischerweise auf das Vorhandensein eines in der Hackfleischmasse verborgenen festen (Fremd-) Körpers zurückzuführen. Vielmehr kommen dafür auch andere, nicht fernliegende Ursachen wie etwa eine Vorschädigung des abgebrochenen Zahns oder die versehentliche Mitaufnahme von Knochen- oder Knorpelresten, die nach dem Verzehr anderer Fleischstücke im Laufe der Mahlzeit auf dem Teller zurückgeblieben sind, in Betracht.
c. Gesetzliche Beweisregeln iSd. 286 II ZPO binden das Gericht; sie lassen keinen Raum für die freie Würdigung der Beweise und schränken somit die Überzeugungsbildung des Gerichts ein. Der Beweis des Gegenteils ist regelmäßig dann nicht möglich, wenn die Beweisregel ihrem Wortlaut nach vollen Beweis begründet und die Möglichkeit des Gegenbeweises nicht ausdrücklich im Gesetz erwähnt wird, so beispielsweise bei der Beweiskraft von Privaturkunden.
Beispiele für gesetzliche Beweisregeln sind:
aa. 190 Strafgesetzbuch - Beweiswürdigung eines Strafurteils für den Wahrheitsgehalt einer Behauptung.
bb. 60, 66 Personenstandsgesetz - Beweiskraft von Personenstandsregistern.
cc. 16 Nr.1, 17 II des Einführungsgesetzes zur ZPO.
dd. 175 I 2 ZPO, 183 II ZPO, 184 II 4 ZPO, 195 II ZPO - Regeln für den Nachweis der Zustellung von Urkunden.
ee. 270 2 ZPO - Regeln für den Nachweis der Zustellung von Schriftsätzen im Zivilprozess.
ff. 139 IV 3 ZPO - Zum Beweis dafür, das das Gericht seiner gerichtlichen Hinweispflicht genüge getan hat oder nicht, kann nur die Prozessakte herangezogen werden.
gg. 165 ZPO - Das Sitzungsprotokoll einer mündlichen Verhandlung beweist, ob die vorgeschriebenen Förmlichkeiten beachtet worden sind.
hh. 314 ZPO - Der Tatbestand eines Zivilurteils liefert den Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Seine Entkräftung ist nur möglich durch das Sitzungsprotokoll.
ii. 415, 416a, 417, 418 ZPO - Würdigung des Inhalts von öffentlichen Urkunden, die von Personen ausgestellt sind, die mit öffentlichen Glauben versehen sind und im Rahmen ihrer Amtsbefugnisse handelten.
jj. 416 ZPO - Würdigung des Inhalts von echten Privaturkunden.
Gesetzliche Beweisregeln dürfen nicht verwechselt werden mit gesetzlichen Vermutungen i.S.d. 292 ZPO, die bereits die Beweisbedürftigkeit wegfallen lassen. Hat eine Partei eine gesetzliche Vermutung auf ihrer Seite, so muss sie nur darlegen und beweisen, dass die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Vermutung vorliegen. Sie muss aber nicht Beweis dafür antreten, dass die vermutete Tatsache vorliegt. Vielmehr hat der Prozessgegner den schwarzen Peter: Er muss die Vermutung widerlegen, indem er den vollen Beweis des Gegenteils erbringt.
d. Beweisvereitelung. Das Gericht berücksichtigt zu Lasten einer Partei, wenn diese der anderen Partei die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht. Die Berücksichtigung geschieht entweder im Rahmen der Beweiswürdigung oder bereits auf der Ebene der Darlegungs- und Beweislast in Form von Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr.
Die Würdigung der Beweise ist grundsätzlich eine Sache des Tatgerichts. Revisionsrechtlich bleibt zu prüfen, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, so dass seine Würdigung vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt. Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt auch das Beweismaß des 286 ZPO, also der Grad der Überzeugung des Gerichts.
Inwieweit Beweismittel verwertet werden dürfen, die rechtswidrig erlangt worden sind, ist umstritten. Beispiel: Ankauf einer gestohlenen Daten-CD. Die Verwertbarkeit richtet sich nach der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und der Interessen des Beweisführers und desjenigen, dessen Rechte durch die Offenlegung des Beweismittels betroffen sind. Nicht ausreichend ist das alleinige Interesse der beweisbelasteten Partei, sich ein Beweismittel für einen Zivilprozess sichern zu wollen. Verwertbar ist jedoch eine heimliche Videoaufnahme von einer strafbaren Körperverletzung, falls andere Beweismittel nicht existieren. Eine heimliche Tonbandaufnahme oder die Aussage eines Zeugen, der heimlich mitgehört hat ist verwertbar, wenn das Recht am gesprochenen Wort weniger stark wiegt als das Interesse der in Beweisnot geratenen Partei. Das ist eine Entscheidung des Einzelfalls.
a. Zeugenbeweis. Zeugen berichten dem Gericht über Dinge, die sie wahrgenommen haben. Die Beweiserhebung mittels Befragung von Zeugen ist sehr häufig anzutreffen, obwohl Zeugenbeweis bei bestimmten Sachverhalten als sehr unzuverlässig gilt. Dies betrifft in der Regel solche Sachverhalte, in denen die Zeugen von einem Ereignis überrascht werden, z.B. bei einem Verkehrsunfall. Anders ist es bei Geschehensabläufen, die nicht überraschend auftreten. Beispiel: Ein Angestellter sagt aus, welchen Inhalt der Vertrag hat, den der Kläger mit seinem Arbeitgeber abgeschlossen hat.
Allzu oft erleben Richter, dass die Zeugen die Sachlage unterschiedlich schildern; manchmal verwickelt sich sogar ein einziger Zeuge in Widersprüche. Zudem haben Zeugen oftmals eine mehr oder weniger starke gesellschaftliche Beziehung zu einer Partei, z.B. durch Nachbarschaft, Kollegenschaft oder sie stehen sogar in einer Abhängigkeit zu einer Partei, z.B. wenn eine Partei ihr Arbeitgeber ist. Das Gericht muss bei seiner Entscheidung die Möglichkeit berücksichtigen, dass die Nähe zu einer Partei sachfremde Interessen des Zeugen begründet. Die Berücksichtigung steht im Ermessen des Gerichts. In der Praxis kommt es kaum vor, dass die Glaubwürdigkeit des Zeugen aufgrund der Nähe zu einer Partei so stark leidet, dass die Zeugenaussage wertlos ist. Um die Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu erschüttern, müssen regelmäßig weitere Aspekte hinzukommen. Denkbare Aspekte könnten beispielsweise sein: nachgewiesene existenzbedrohende finanzielle Abhängigkeit oder Bedrohung des Zeugen durch eine Partei oder einem Dritten.
Bei widerstreitenden Zeugenaussagen hat das Zivilgericht zwei Handlungsoptionen: Entweder es schenkt dem einen Zeugen glauben und dem anderen nicht oder es sieht die zu beweisende Tatsache als unbewiesen an, wodurch die beweisbelastete Partei das Nachsehen hat. Das Gericht hat an dieser Stelle einen schier unglaublichen Spielraum, in Grenzfällen kann die Entscheidung immer so oder so ausfallen.
Wer der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen ist, unterliegt der Zeugnispflicht. Dazu gehört die Pflicht zum Erscheinen vor Gericht sowie zur Aussage und zur Vereidigung. Zur Unterstützung seiner Aussage kann bzw. muss der Zeuge im Vorfeld Aufzeichnungen und Unterlagen einsehen und ggf. mitbringen. Zeuge kann grundsätzlich sein, wer nicht als Partei in dem Zivilprozess auftritt, oft auch die prozessunfähige Partei, häufig aber nicht die gewillkürten oder gesetzlichen Vertreter einer Partei.
Benennt eine Partei einen Zeugen, so kann das Gericht die Ladung des Zeugen davon abhängig machen, dass die Partei einen Vorschuss leistet für die Auslagen, die der Staatskasse durch die Vernehmung erwachsen. Dies umfasst die Enschädigung, die dem Zeugen für seine Anreise und seinen Auftritt zusteht und ggf. weitere Kosten, z.B. für einen Dolmetscher. Der Zeuge wird ebenso wie Sachverständige und Dolmetscher nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) entschädigt.
Bleibt ein Zeuge der Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung fern, so wird das Gericht ihm neben einem Ordnungsgeld den Teil der Prozesskosten auferlegen, die durch sein Fernbleiben entstanden sind. Anders nur, wenn er sich rechtzeitig genügend entschuldigen kann. Die Entschuldigung ist genügend, wenn dem Zeugen bei Würdigung aller Umstände ein Erscheinen nicht zugemutet werden kann. Das Gericht hat einen Ermessensspielraum bei dieser Beurteilung. Rechtzeitig ist die Entschuldigung, wenn sie so frühzeitig beim Gericht eintrifft, dass das Gericht die Möglichkeit hat, den ursprünglichen Termin abzusagen und zu verlegen. Kommt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so obliegt es dem Zeugen, glaubhaft zu machen, dass er die Verspätung der Entschuldigung nicht verschuldet hat.
Erachtet das Gericht es für notwendig, so kann es einen Zeugen vereidigen. Der Beweiswert einer beeideten Aussage ist größer, weil die Strafandrohung im Fall eines falschen Eides höher ist als im Fall einer uneidlichen Falschaussage. Bei widerstreitenden Zeugenaussagen vereidigt das Gericht normalerweise nur einen Zeugen, und zwar den, dem es mehr glaubt oder dessen Aussage mit einer größeren Wahrscheinlichkeit zutreffend ist.
Zeugen haben unter bestimmten Umständen das Recht, ihre Aussage vor Gericht zu verweigern, sog. Zeugnisverweigerungsrecht (ZWR). Dieses kann aus persönlichen Gründen oder aus sachlichen Gründen vorliegen. ZVRe gibt es für Aussagen vor Gerichten und Behörden. Für den Zivilprozess regelt die Zivilprozessordnung die Zeugnisverweigerung in 383 ff. ZPO.
383 ZPO führt die persönlichen ZVRe im Zivilprozess auf. Demnach können u.a. solche Personen die Zeugenaussage verweigern, die mit der Partei oder ihrem gesetzlichen Vertreter nahestehend verwandt oder verschwägert sind, im Einzelfall aber auch Geistliche, Anwälte und Medienschaffende. Daher fragt das Gericht den Zeugen zu Beginn der Zeugenvernehmung zu seinen Beziehungen zu den Parteien. Falls erforderlich, belehrt das Gericht den Zeugen über sein persönliches Zeugnisverweigerungsrecht. Erklärt der Zeuge seine Zeugnisverweigerung dem Gericht bereits im Vorfeld und macht er die Gründe dafür genügend glaubhaft, so muss er normalerweise nicht mehr zu dem Termin erscheinen.
383 ZPO lautet:
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt:
1. der Verlobte einer Partei oder derjenige, mit dem die Partei ein Versprechen eingegangen ist, eine Lebenspartnerschaft zu begründen;
2. der Ehegatte einer Partei, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a. der Lebenspartner einer Partei, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3. diejenigen, die mit einer Partei in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert sind oder waren;
4. Geistliche in Ansehung desjenigen, was ihnen bei der Ausübung der Seelsorge anvertraut ist;
5. Personen, die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von periodischen Druckwerken oder Rundfunksendungen berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben, über die Person des Verfassers, Einsenders oder Gewährsmanns von Beiträgen und Unterlagen sowie über die ihnen im Hinblick auf ihre Tätigkeit gemachten Mitteilungen, soweit es sich um Beiträge, Unterlagen und Mitteilungen für den redaktionellen Teil handelt;
6. Personen, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Betreff der Tatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht.
(2) Die unter Nummern 1 bis 3 bezeichneten Personen sind vor der Vernehmung über ihr Recht zur Verweigerung des Zeugnisses zu belehren.
(3) Die Vernehmung der unter Nummern 4 bis 6 bezeichneten Personen ist, auch wenn das Zeugnis nicht verweigert wird, auf Tatsachen nicht zu richten, in Ansehung welcher erhellt, dass ohne Verletzung der Verpflichtung zur Verschwiegenheit ein Zeugnis nicht abgelegt werden kann.
384 ZPO enthält Zeugnisverweigerungsrechte aus sachlichen Gründen.
384 ZPO lautet:
Das Zeugnis kann verweigert werden:
1. über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer Person, zu der er in einem der im § 383 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Verhältnisse steht, einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursachen würde;
2. über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einem seiner im § 383 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Angehörigen zur Unehre gereichen oder die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden;
3. über Fragen, die der Zeuge nicht würde beantworten können, ohne ein Kunst- oder Gewerbegeheimnis zu offenbaren.
385 ZPO beschreibt Ausnahmen vom Zeugnisverweigerungsrecht.
385 ZPO lautet:
(1) In den Fällen des § 383 Nr. 1 bis 3 und des § 384 Nr. 1 darf der Zeuge das Zeugnis nicht verweigern:
1. über die Errichtung und den Inhalt eines Rechtsgeschäfts, bei dessen Errichtung er als Zeuge zugezogen war;
2. über Geburten, Verheiratungen oder Sterbefälle von Familienmitgliedern;
3. über Tatsachen, welche die durch das Familienverhältnis bedingten Vermögensangelegenheiten betreffen;
4. über die auf das streitige Rechtsverhältnis sich beziehenden Handlungen, die von ihm selbst als Rechtsvorgänger oder Vertreter einer Partei vorgenommen sein sollen.
(2) Die im § 383 Nr. 4, 6 bezeichneten Personen dürfen das Zeugnis nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind.
Verweigert ein Zeuge seine Aussage, ohne dass ihm ein ZVR zusteht, so hat er den Teil der Prozesskosten zu tragen, der durch sein Verhalten zusätzlich entsteht. Außerdem muss er mit einem Ordnungsgeld und Ordnungshaft bis zum Verfahrensende rechnen.
b. Sachverständigenbeweis. Für den Beweis durch Sachverständige gelten vielfach die gleichen Regeln wie für den Zeugenbeweis. Der Sachverständige ermittelt Tatsachen, sofern das Gericht es nicht kann. Beispiel: Todes- und Unfallursachen. Der Sachverständige vermittelt dem Gericht auch fachliche Kenntnisse, damit das Gericht die ermittelten Tatsachen richtig beurteilen kann. Beispiel: Der Kaufgegenstand, ein Möbel aus Holz, enthält auf der Oberfläche eine Maserung, die abweicht von dem Ausstellungsstück beim Verkäufer. Die Abweichung ist eine unstreitige Tatsache. Handelt es sich hierbei um einen Sachmangel oder nicht? Der Sachverständige klärt das Gericht auch über Erfahrungssätze auf wie z.B. Handelsbäuche. Allerdings kann sich das Gericht auch auf andere Weise über Erfahrungssätze schlau machen, z.B. durch Fachliteratur. Fehlt dem Gericht die notwendige Sachkunde, so zieht es von Amts wegen einen Sachverständigen hinzu.
Normalerweise tritt die beweisbelastete Partei den Sachverständigenbeweis an, indem sie einen entsprechenden Antrag beim Gericht stellt. Mitunter wird kein Antrag gestellt, z.B. weil die Partei meint, dass die behauptete Tatsache trotz des Bestreitens durch die Gegenseite nicht beweisbedürftig ist. Hält das Gericht ein Gutachten für erforderlich und will es das Gutachten nicht von Amts wegen einholen, so muss es die beweisbelastete Partei auf die Erforderlichkeit eines Gutachtens hinweisen. In diesem Fall muss die Partei selber Beweis antreten, indem sie die Beweiserhebung mittels Gutachten beim Gericht beantragt. Das Gericht kann die Beauftragung eines Sachverständigen davon abhängig machen, dass die beweisbelastete Partei die anfallenden Kosten vorschießt.
Das Gericht legt Art und Umfang der Tätigkeit des Sachverständigen genau fest und es bestimmt auch den Sachverhalt, von dem der Sachverständige ausgehen soll.
Bei einfachen Sachverhalten wird das Gericht oft davon absehen, ein schriftliches Gutachten einzuholen. Stattdessen wird der Sachverständige um eine mündliche Stellungnahme im Rahmen der Verhandlung gebeten. Mitunter organisiert das Gericht die Vernehmung des Sachverständigen vor Ort.
Zur Beweiserhebung ist ein geeigneter Sachverständiger vom Gericht auszuwählen und zu beauftragen. Als Sachverständige können Einzelpersonen, aber auch Behörden oder sonstige öffentliche Stellen fungieren. Steht für den Themenbereich ein öffentlich bestellter Sachverständiger zur Verfügung, so ist dieser Sachverständige einem nicht öffentlich bestelltem Sachverständigen vorzuziehen. Geeignete Sachverständige für technische Fragen können bei den Industrie- und Handelskammern erfragt werden, auch im Internet unter http://svv.ihk.de.
Manchmal beauftragt eine Partei bereits im Vorfeld des Prozesses, also außerhalb der Verhandlung, einen Gutachter. Es handelt sich dann um ein Privatgutachten. So ein Privatgutachten ist kein Beweismittel, sondern allenfalls Teil der Sachverhaltsschilderung der Partei. Es ist allerdings als Beweis verwertbar, wenn beide Parteien einverstanden sind. Das kann z.B. aus Gründen der Prozesskostensenkung sinnvoll sein.
Es kommt oft vor, dass eine Partei mit den Ergebnissen des Sachverständigen nicht einverstanden ist oder dass zwei Gutachten vorliegen, die sich widersprechen. Ob das Gericht ein weiteres Gutachten einholt, steht in seinem Ermessen. Es gibt aber Situationen, in denen das Gericht zur Einholung eines weiteren Gutachtens bzw. eines Obergutachtens verpflichtet ist: Der Sachverständige ging von einer unrichtigen Tatsachengrundlage aus / sein Gutachten enthält erhebliche Widersprüche oder grobe Mängel / seine Sachkunde ist zweifelhaft / ein zusätzlich eingeholtes Privatgutachten oder ein zweites vom Gericht in Auftrag gegebenes Gutachten widerspricht dem ursprünglichen Gerichtsgutachten / ein anderer Gutachter verfügt über bessere Forschungsmittel. Auch eigene wirtschaftliche Interessen des Sachverständigen am Ausgang der Verhandlung oder gar seine wirtschaftliche Abhängigkeit von einer Partei können geeignet sein, sein Gutachten zu diskreditieren.
c. Urkundsbeweis. Es gibt Privaturkunden und öffentliche Urkunden. Privaturkunden werden von Privatpersonen ausgestellt, also unterzeichnet. Beispiele sind alle möglichen Verträge oder sonstige schriftliche Willenserklärungen von Privatpersonen, die nicht öffentlich beglaubigt oder gar notariell beurkundet sind. Öffentliche Urkunden sind typischerweise von Behörden ausgestellt, z.B. Urteile, Strafbefehle, Personalausweise, amtliche Genehmigungen, amtliche Ge- oder Verbote und so weiter.
Eine echte Privaturkunde, die vom Aussteller unterschrieben und äußerlich mangelfrei ist, begründet gemäß der gesetzlichen Beweisregel des 416 ZPO den vollen Beweis dafür, dass die enthaltenen Erklärungen vom Aussteller abgegeben worden sind. Damit die gesetzliche Beweisregel greift, muss derjenige, der sich auf die Urkunde beruft, die genannten Voraussetzungen darlegen und ggf. beweisen. Greift die Beweisregel, so kann der Gegenbeweis gegen die Beweisregel nur unter engsten Voraussetzungen geführt werden, etwa wenn dem Aussteller der Entwurf einer Urkunde abhanden gekommen ist und nun vor dem Gericht als vermeintlicher Vertrag ins Spiel gebracht wird. Die Beweisregel ist nicht anzuwenden, wenn unstreitig feststeht, dass der Text nach der Unterzeichnung verändert worden ist. Sie gilt auch nicht, wenn der Text nicht mit einer Unterschrift, sondern mit einer Oberschrift oder einer Nebenschrift versehen ist und sie bezieht sich nicht auf Einfügungen, die nachweislich nachträglich vorgenommen worden sind.
Zur Beweisführung legt die Partei die Urkunde beim Gericht vor. Eine Kopie reicht solange aus, wie die Gegenseite deren Richtigkeit nicht bestreitet. Im Falle des Bestreitens muss das Original her. Befindet sich das Original im Besitz der gegnerischen Partei, so muss die beweisführende Partei beim Gericht beantragen, dass der Gegner die Urkunde vorlegt. Das Gericht wird die Vorlage anordnen, wenn der Beweisführer gegen den Gegner einen Anspruch auf Herausgabe oder Vorlage der Urkunde hat. Der Anspruch besteht gemäß 422 ZPO iVm. 810 BGB, sofern die Urkunde ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien bekundet, z.B. ein Kaufvertrag. Der Gegner ist außerdem gemäß 142 I ZPO zur Vorlage aller Urkunden verpflichtet, auf die er im Rahmen der Prozessführung oder in deren Vorfeld Bezug genommen hat. Dieser Anspruch umfasst auch solche Urkunden, die etwas anderes bekunden als nur ein Rechtsverhältnis zwischen den Prozessparteien, und er kann auch Dritten gegenüber gegeben sein, sofern dies dem Dritten nicht unzumutbar ist oder ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht.
Bestreitet der Prozessgegner, im Besitz einer relevanten Urkunde zu sein, so wird das Gericht ihn zum Verbleib der Urkunde vernehmen und entscheiden, ob es ihm glaubt oder nicht. Schenkt das Gericht dem Prozessgegner keinen Glauben, so ordnet es die Vorlage der Urkunde an. Legt der Gegner die Urkunde trotzdem nicht vor, so kann eine Kopie dieser Urkunde, die der Beweisführer vorlegt, als richtig angesehen werden. Bringt der Beweisführer eine Kopie nicht bei, so können die Behauptungen des Beweisführers über die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde als bewiesen angenommen werden. Der anderen Seite steht es frei, das Gegenteil zu beweisen. Ähnliches gilt, wenn der Gegner die Urkunde entzieht, vernichtet oder unbrauchbar macht in der Absicht, die Beweisführung zu erschweren oder zu vereiteln. So ein Vorgehen ist, ebenso wie die Urkundenfälschung, strafrechtlich relevant.
Befindet sich die Urkunde im Besitz eines Dritten, so müsste dieser ggf. auf Herausgabe bzw. Vorlage der Urkunde verklagt werden. Die beweisführende Partei muss in ihrem Beweisantrag glaubhaft machen, dass sich die Urkunde im Besitz des Dritten befindet.
d. Augenscheinsbeweis. Das Gericht macht sich vor Ort ein Bild von den Gegebenheiten. Dazu macht es einen Ortstermin zusammen mit den Parteien. Dieses Beweismittel ist aufgrund seiner Objektivität sehr stark. Das Gericht kann die Augenscheins-Einnahme von Amts wegen anordnen.
e. Parteivernehmung. Die Parteien werden immer bereits im Vorfeld der Beweiserhebung gehört, denn sie bringen die Tatsachenbehauptungen vor, die im Streitfall auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüft werden müssen. Das ist dann aber noch keine Parteivernehmung, denn die findet erst im Rahmen der Beweisaufnahme später im Prozess statt.
Weil die Parteien daran interessiert sind, dass der Prozess zu ihren Gunsten ausgeht, ist dieses Beweismittel sehr schwach. Die Parteivernehmung des Prozessgegners der beweisbelasteten Partei kann daher nur unter einer strengen Voraussetzung angeordnet werden: entweder muss der Antrag vom Gegner der beweisführenden Partei kommen oder der Gegner stimmt ihm wenigstens zu. Unabhängig davon hat das Gericht die Möglichkeit, die Parteivernehmung von Amts wegen entgegen dem Willen der Parteien anzuordnen, wenn dem Gericht nur noch ein klein wenig Überzeugung fehlt, um eine Tatsache als bewiesen zu erachten. Für die Vernehmung von Parteien gelten die Vorschriften über die Zeugenvernehmung entsprechend.
Ordnet das Gericht die Parteivernehmung von Amts wegen an, so kann es sich aussuchen, welche Partei es vernimmt. Das Gericht wird sich für die Partei entscheiden, deren Glaubwürdigkeit es höher einschätzt oder deren Vorbringen mit der größeren Wahrscheinlichkeit wahr ist. Im Grenzfall entscheidet sich also nach der ggf. von Amts wegen angeordneten Parteivernehmung, ob die notwendige Überzeugung des Gerichts eingetreten ist oder ob die beweisbelastete Partei den Beweis schuldig geblieben ist. Die von Amts wegen angeordnete Parteivernehmung ist daher nur ein möglicher letzter Rettungsanker, wenn sonst nichts mehr hilft.
Übrigens fließt indirekt stets auch das Ergebnis der Anhörung der Parteien in die Beweiswürdigung ein, obwohl der Anhörung rechtlich betrachtet nicht die Stellung eines Strengbeweismittels zukommt.